MJF - Multi Jet Fusion

Multi Jet Fusion (MJF) ist eine relativ neue additive Fertigungstechnologie auf dem Markt und hat sehr viel Potenzial. 2016 entwickelte Hewlett-Packard (HP) den MJF-3D-Druck 2016. Es handelt sich bei dem Druckverfahren um eine Art von Binder Jetting, das laut HP aber schneller und günstiger ist und mehr funktionale Teile produziert als Konkurrenztechniken.

Interessanterweise sind in jedem Multi Jet Fusion 3D-Drucker mehr als 140 MJF-gedruckte Komponenten verbaut.

MJF-3D-Druck: Grundprinzipien

Wie SLS (selektives Lasersintern) beruht auch das 3D-Druckverfahren MJF auf einer Pulverbettfusionstechnik, bei der Partikel durch Hitze in einer mit thermoplastischem Pulver – oft Nylon oder TPU – gefüllten Kammer zusammengeschmolzen werden. Das Verfahren unterscheidet sich insofern von SLS, weil bei Multi Jet Fusion kein Laser zum Einsatz kommt. Stattdessen wird eine Infrarotenergiequelle in Kombination mit einem Schmelzmittel für die einzelnen Schichten des Bauteils verwendet. Die mechanischen Eigenschaften und Oberflächengüte des Bauteils sind mit Schichthöhen von rund 80 µm vergleichbar mit SLS, allerdings ist MJF etwas schneller. Der MJF-3D-Druck funktioniert folgendermaßen: Zunächst wird ein rechnergestütztes Designmodell (CAD) mit der HP-eigenen Software an den Drucker gesendet. Der Maschinenbediener muss manuell Pulver in die Kammer laden.

Ein Pulvernachbeschichter verteilt zuerst eine dünne Schicht Pulver auf der Bauplatte, dann können die Tintenstrahldruckköpfe mit dem Druck der ersten Schicht beginnen. Dazu applizieren sie selektiv ein Bindemittel (einfach gesagt eine Art Kleber) auf das Pulver und zeichnen dabei schichtweise das Bauteil nach. Zeitgleich wird eine isolierende Flüssigkeit auf die Konturen des Objekts aufgetragen, um sie klarer abzugrenzen. Das Bindemittel und die isolierende Flüssigkeit sind wärmeempfindlich, und das ist auch der ganze Trick bei der Sache: Wenn die Druckköpfe die Mittel appliziert haben, verschmilzt und festigt eine Wärmelampe die Bereiche die aufgetragenen Mittel. Dann senkt sich die Bauplatte leicht ab, und der Pulvernachbeschichter verteilt eine weitere dünne Schicht Pulver auf die untere Schicht. Dieser Vorgang wird wiederholt, bis alle Schichten vollständig sind.

Nach dem Drucken muss der Maschinenbediener die Bauteile zu einer Nachbearbeitungsstation bringen, wo eine halbmanuelle Reinigung erfolgt. Das ungenutzte Pulver kann für spätere Bauteile wiederverwendet werden. Nach der Entpulverung werden die Bauteile glasperlengestrahlt. Dabei bläst ein Hochdruckstrahl feine Glasperlen auf die Bauteile, um die Oberfläche zu glätten und Pulverreste zu entfernen.

Multi Jet Fusion: Allgemeine Kennzeichen

MJF-Bauteile haben eine hohe Auflösung und konsistente isotrope Materialeigenschaften, sodass sie sich gut für funktionale Endverbraucheranwendungen eignen. Zudem lassen sich mit dieser Technologie die Durchlaufzeiten verkürzen. Was Qualität und Funktionalität betrifft, ist Multi Jet Fusion dem Fused Deposition Modeling (FDM) und der Stereolithografie (SLA) in vielerlei Hinsicht überlegen. Die größte Konkurrenz macht ihm das SLS-Verfahren. Wie bei der SLS- und anderen PBF-Techniken auch können MJF-Bauteile ohne Stützstrukturen gedruckt werden. Das ungeschmolzene Pulver dient selbst als Stütze und ermöglicht komplexe Geometrien. Die Preise von Multi-Jet-Fusion-Druckern orientieren sich meist am industriellen bzw. Print-on-demand-Bedarf und liegen im mittleren sechsstelligen Bereich. HP hat allerdings vor Kurzem auch einige erschwinglichere Drucker für unter 100.000 USD auf den Markt gebracht.

Auch wenn MJF-Drucker in der Regel teurer sind als SLS-Drucker, können sie sich in mancher Hinsicht als kosteneffizienter erweisen. Zum einen ist Infrarotlicht eine effizientere Energiequelle als Laser es sind. Ein andere Vorteil ist die etwas bessere Pulverrecyclingquote. Bis zu rund 80 % des überschüssigen Pulvers von MJF-Drucken kann für spätere Drucke wiederverwendet werden. Bei SLS können meist nur 50 - 70 % des Werkstoffs recycelt werden. Außerdem punktet der MJF-3D-Druck im Vergleich zu anderen Verfahren mit hoher Geschwindigkeit. Einem HP-Whitepaper zufolge hat man MJF-Geräte mit ähnlichen FDM- und SLS-Systemen in internen Tests und Simulationen verglichen. Dabei fand man unter anderem heraus, dass die HP-Geräte bis zu zehn Mal schneller sind als ihre Konkurrenten – auch wenn dieses Ergebnis von unabhängiger Stelle nicht verifiziert werden konnte.

Auch wenn HP einige (teure) Vollfarben-MJF-Drucker im Angebot hat, produzieren die meisten HP-Drucker Bauteile in stumpfem Grau, typisch für HP PA12. Daher eignet sich MJF nicht unbedingt für Anwendungen, bei denen direkt Bauteile strahlenden Farben erwartet werden. Ein anderer Nachteil ist der hohe Nachbearbeitungsaufwand, der nötig ist, um das überschüssige Pulver von den gedruckten Bauteilen zu entfernen. Das kostet Zeit, und durch das Glasperlenstrahlen können zudem filigrane Details an MJF-Teilen beschädigt werden. 

 

Welche Werkstoffe eignen sich für MJF-3D-Drucker?

Multi-Jet-Fusion-Drucker arbeiten vor allem mit HP PA12 (Nylon). Nylon ist ein technischer Werkstoff mit ausgewogenen mechanischen Eigenschaften und hoher Oberflächengüte. Überdies weist der Kunststoff eine gute Chemikalienbeständigkeit auf und kann wassergefärbt werden. Mit HP PA12 können wasserdichte MJF-Teile gedruckt werden, und der untere Grenzwert der Genauigkeit liegt bei +/- 0,3 mm.

Neben PA12 gibt es noch weitere mögliche Werkstoffe, wie PA11 (besser für duktile Bauteile) und ein Polypropylenmaterial (HP High Reusability PP), das vom deutschen Chemieunternehmen BASF entwickelt wurde. HP hat außerdem ein Open-Platform-Projekt angekündigt, in dessen Rahmen zusammen mit Partnerfirmen neue Werkstoffe entwickelt werden sollen.

 

Haupteinsatzgebiete des MJF-3D-Drucks

MJF-Bauteile sind überall da nützlich, wo Festigkeit und mittlere Temperaturbeständigkeit verlangt werden, wie in Motorgehäusen, Blasebälgen, Umlenkblechen oder Vorrichtungen. Im Folgenden ein paar konkrete Beispiele. Michael Nunnery, ein Prothesenentwickler aus Rhode Island in den USA, beauftragte eine lokale MJF-Druckerei damit, einen vollfunktionalen Beinprothesenschaft für einen Patienten zu drucken. Nunnery zufolge war der Patient mit der gedruckten Prothese zufrieden: „Der alte Schaft saß zu locker und war schwer, er freut sich über das leichte Material.”

Das niederländische Robotikunternehmen Avular bestellt beim HP Digital Manufacturing Network-Partner Materialise maßgefertigte On-Demand-Komponenten für Drohnen. Avular lässt bei dem Partner verschiedene Drohnenteile drucken, wie Kabelkanäle oder Batteriehalterungen. Avular sagt, sie schätzen die Fähigkeit, Bauteile im Nu individualisieren zu können und dass sie ihre Teile innerhalb von einer Woche erhalten. In Michigan hat General Motors eine 3D-Druckerei eröffnet, die MJF anbietet. Sie nutzt MJF-3D-Drucker unter anderem, um HV-AV-Leitungen für die Schaltgetriebe des Cadillac CT4-V und CT5-V zu fertigen.

Die Zukunft des MJF-3D-Drucks

Angesichts der Tatsache, dass HP jetzt die Produktion von kostengünstigeren MJF-Druckern erweitert, einschließlich Vollfarbdruckern, ist klar, dass die unmittelbare Zukunft von Multi Jet Fusion sich um Druckmethoden drehen wird, die vielseitiger und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich sind. Das bedeutet auch eine größere Werkstoffauswahl und -verfügbarkeit. Vielversprechende Aussichten, wie man an den Kooperationsbemühungen von HP sehen kann, auch wenn HP die Eigentumsrechte an seiner Technologie behalten will. 

Eine künftige Frage wird sein, wie genau der Patentschutz der Technologie sich gestaltet. Könnten andere Firmen Variationen des MJF-Druckens entwickeln, wodurch sich die Kosten reduzieren und die Vielseitigkeit erhöhen würden? Die Zeit wird es zeigen. Heute ist nur klar, dass HP eine der spannendsten Innovationen in der additiven Fertigung entwickelt hat, die in den kommenden Jahren mit Sicherheit noch viele weitere Einsatzgebiete finden wird.

 

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