Wie gestaltet sich künftig die Datenintegration von PLM, ERP und MES?

Wollen Unternehmen ihre digitale Transformation vorantreiben, scheitern sie oftmals an der Datenintegration. Inkonsistente Daten aus isolierten Datensilos verhindern eine holistische Sicht auf die Geschäftsprozesse und damit verbunden auf wichtige Erkenntnisse und Schlüsselkennzahlen (KPIs). Ziel der Unternehmen sollte es also sein, Verbindungen zwischen den Insellösungen zu schaffen. Insbesondere im Hinblick auf die Digitale Fabrik. Erst wenn die Softwaresysteme PLM, ERP und MES intelligent miteinander arbeiten, lassen sich mithilfe der virtuellen Planung, Evaluation und Steuerung von Prozessen durch virtuelle Zwillinge die Weichen für eine agile, nachhaltige Produktion stellen.

Die IST-Situation in Unternehmen ist sehr unterschiedlich: Manche haben in ein ERP-System investiert, um ihre unternehmerischen und betrieblichen Abläufe optimal zu planen und zu steuern. Andere wiederum haben die Digitalisierung der Fertigung priorisiert und ein MES-System implementiert. Wollten Unternehmen den gesamten Lebenszyklus eines Produktes beobachten, lag der Fokus auf der Einführung eines PLM-Systems. Unabhängig davon, welche Systemlandschaft vorliegt: Jedes System ist für eine spezielle geschäftliche Anforderung ausgelegt und jedes System bringt Mehrwert für die Produktion. Welche Aufgaben bewältigen PLM, ERP und MES?

Product Lifecycle Management - PLM

PLM-Systeme verwalten und steuern alle Daten, Informationen und Prozesse während des gesamten Lebenszyklus eines Produktes. PLM kann auch als kollaboratives System beschrieben werden, da es Menschen unterstützt, gemeinschaftlich einen schnelleren Reifegrad eines Produktes zu erzielen und die Markteinführung zu beschleunigen. Wurde in der Produktentwicklung ein gewisser Reifegrad erreicht und wird das Produktmodell mit allen Informationen an die Fertigung übergeben, kommt die Ressourcenplanung ins Spiel.

Enterprise Ressource Planning - ERP

ERP-Systeme sind für die rechtzeitige und bedarfsgerechte Bereitstellung von Ressourcen wie Betriebsmittel, Material, Kapital und Personal für einen effizienten betrieblichen Wertschöpfungsprozess verantwortlich. Eine Hauptaufgabe von ERP ist die Materialbedarfsplanung mittels Fertigungsstückliste (MBOM), einer Art Einkaufliste für den Shopfloor. Sie gewährleistet, dass alle für eine reibungslose Produktion erforderlichen Erzeugnisse und Komponenten verfügbar sind – zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und in der richtigen Menge. Weitere Themen im ERP sind die Layoutplanung und der Aufbau von Arbeitsplänen. Alle Planungen basieren auf Finanzdaten, Auftragsdaten, Personalinformationen und vielem mehr und markieren, wenn sie an die Fertigung übermittelt werden, einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg von der digitalen zur intelligenten Fabrik.

Manufacturing Execution System - MES

MES sorgen als dynamische Informationssysteme für eine effektive Ausführung und Verwaltung komplexer Fertigungsabläufe. Da sie den gesamten Herstellungsprozess in Echtzeit nachverfolgen, steuern und überwachen, liefern sie wichtige Daten für Analysen, anhand derer Unternehmen fundiertere Entscheidungen basierend auf der IST-Situation auf dem Shopfloor treffen können. Das führt zu einer höheren Produktionsleistung durch optimierte Prozesse sowie mehr Kontrolle und Transparenz in der Fertigung. Die Frage ist nun: Wie erreichen Unternehmen digitale Durchgängigkeit in ihren historisch gewachsenen, heterogenen Systemlandschaften?

Gekonntes Zusammenspiel

PLM spielt bei der Datenintegration eine immer stärkere Rolle. Warum das so ist, wird anhand der Hierarchie von Automatisierungssystemen für die Produktion deutlich. Sieht man sich die klassische Automatisierungspyramide an, steht an ihrer Spitze, auf der Unternehmensebene, das ERP. Auf der darunterliegenden Betriebsleitebene für die Produktionsplanung und -steuerung steht das MES. Das Fundament der Pyramide ist die Shopfloor-Ebene. Sie beschreibt die maschinen- und gerätebezogene Automatisierung.

Dieser klassische Aufbau der Automatisierungspyramide wird jedoch nicht mehr den Anforderungen an die Produktion von heute gerecht. Themen wie Personalisierung, Anpassbarkeit und Nachhaltigkeit gewinnen immer mehr an Bedeutung. Das führt zu immer größeren Datenmengen im PLM, da unter anderem mehr Varianten eines Produktes oder zusätzliche Informationen zu alternativen Materialien und Fertigungsverfahren vorgehalten und verwaltet werden müssen. Wird beispielsweise eine Änderung an der Produktgeometrie vorgenommen, hat diese Änderungsanforderung (Engineering Change Order, ECO) vielschichtige Auswirkungen, sowohl auf die nachgelagerten Produktionsprozesse als auch auf die Ressourcen, die mit dem Prozess und mit dem geänderten Produkt in Verbindung stehen.

Brücken schlagen

Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass alle Stammdaten einen Lifecycle haben, ist eine engere Integration von Daten und Prozessen über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts erforderlich, von der Konstruktion bis zur Fertigung und Wartung. Das verändert nicht nur die Rolle von MES, sondern führte in den letzten Jahren auch dazu, dass MES und PLM näher zusammenrückten. Denn nur so lassen sich die Daten aus dem PLM mit den tatsächlichen Daten aus den Produktionsprozessen verknüpfen und eine wirkungsvolle Überwachung und Optimierung erreichen.

Die neue Sicht auf die Automatisierungspyramide schmälert dabei nicht die Wichtigkeit von ERP. Dieses System wickelt nach wie vor alle kaufmännischen Prozesse rund um einen Auftrag ab und ist immer noch eng mit dem MES und PLM verbunden. Aber die engere Verzahnung zwischen MES und PLM schlägt die Brücke zwischen der Produktentwicklung und der Fertigung. Auf diese Weise wird Durchgängigkeit beziehungsweise digitale Kontinuität geschaffen, die es bislang in der klassischen Automatisierungspyramide nicht gab.

Datenintegration fördert Datenintegrität

Informationen aus dem PLM lassen sich jetzt direkt in den Shopfloor übermitteln und dort zusammen mit den Aufträgen ausführen. Der Datentransfer funktioniert auch assoziativ, indem exemplarisch die von IoT-Systemen in der Produktion gesammelten Daten analysiert, an das PLM zurückgespielt und die daraus abgeleiteten Erkenntnisse für die kontinuierliche Verbesserung von Produkten und Prozessen genutzt werden. Dies geschieht durch virtuelle Zwillinge, die als virtuelles Abbild eines realen Objekts oder eines Prozesses tiefer gehende Analysen und Prognosen auf Basis von Echtzeitdaten ermöglichen. Allerdings erst, wenn alle Daten korrekt, vollständig und konsistent über die gesamte Wertschöpfung vorliegen.

Insbesondere, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht, lohnt sich der Blick in die Zukunft. Zum Beispiel kann ein von der Konstruktion gewählter und als nachhaltig eingestufter Werkstoff zu einer sehr aufwendigen Fertigung führen, die letztlich die gesamte Ökobilanz eines Unternehmens verschlechtert. Ökobilanzierungslösungen wie etwa von Dassault Systèmes ermöglichen eine Nachhaltigkeitsanalyse der gesamten Prozesskette und stellen die Ergebnisse mit dem virtuellen Zwilling verständlich dar.

Fazit: Mehrwert generieren

Werden die Grenzen zwischen den Softwaresystemen aufgehoben, entfaltet sich ihr volles Potenzial. Es geht also beim Thema Datenintegration nicht darum, ein System durch das andere zu ersetzen oder eine vergleichende Wertung der Systeme vorzunehmen. Sondern darum, PLM, ERP und MES über eine einheitliche zentrale Plattform miteinander zu vernetzen, um abteilungsübergreifend auf Basis einer Echtzeit-Datenlage zusammenzuarbeiten. ERP, MES und PLM verschmelzen damit zu einem ganzheitlichen System, das Daten und Prozesse über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts integriert. Das reduziert Schnittstellen, verbessert die Qualität und Teamarbeit und schließt die Feedback-Schleife zwischen Entwicklung und Produktion. Unternehmen können dabei sowohl von einer schnelleren Entwicklung und einem skalierbaren Wachstum, als auch von einer schnelleren Markteinführung profitieren.